|
Kontroverse Kommunikation. (10/2003)
In Zeiten der globalen Kommunikation ist es auf sehr einfache Art
und Weise möglich, nahezu mit jedem an jedem x-beliebigen Punkt der
Erde Kontakt aufzunehmen und zu halten. Doch zeichnet sich die moderne
Kommunikation nicht nur durch ihre scheinbar unendliche Freiheit, sondern
auch durch das ständige Gefangensein im allumspannenden Kommunikationsnetz
aus. Obwohl ihre Dominanz den Menschen belastet und seine Sehnsucht nach
persönlichem Kontakt verstärkt, boomt die Kommunikationstechnik
nach wie vor weltweit.
Alle tun es! - Sie kommunizieren miteinander und auch übereinander.
Schon seitdem es Lebewesen gibt, verständigen sie sich auf verschiedene
Arten und durch diverse Hilfsmittel miteinander. Habermas sieht im an
Verständigung orientierten, "kommunikativem Handeln" den
Schlüssel zu einer guten Gesellschaft. Der Ende der Neunziger Jahre
verstorbene Soziologe Niklas Luhmann bezeichnet die Kommunikation sogar
als "die Letzteinheit, aus der soziale Systeme" bestehen. Daraus
ergibt sich nun die Schlussfolgerung, dass eine Gesellschaft nur solange
Bestand haben kann, wie die Mitglieder dieser bereit sind, miteinander
zu kommunizieren.
Jede Kommunikation fördert also das Zusammenleben und erfüllt
die Funktion oder hat den Sinn für eine kollektive Identität.
Alles Gemeinschaftswesen basiert demzufolge auf Kommunikation. Sowie sich
die verschiedenen Sprachen im Laufe der Zeit entwickelt haben, wurden
auch immer neue Kommunikationsmittel zur Verbesserung der Mitteilung erfunden
und alltagstauglich gemacht. Von Steintafeln, beschrifteten Papyrusrollen,
über den Briefverkehr zur elektronischen Mail, von den handgeschriebenen
über die gedruckten Bücher und Zeitungen zu CD-Roms, von den
Telegrafen über das Telefon und Telefax zum Handy. Die technische
Entwicklung im Kommunikationsbereich geht immer rasanter voran.
Heutzutage ist es möglich, von nahezu jedem Ort der Welt aus zu telefonieren.
Zudem wird es über das weltweite Internet möglich, mit jedem
angeschlossenen Nutzer Kontakt aufzunehmen. Der Mensch kann also durch
Kommunikationshilfen, wie dem Computer, dem Satelittentelefon, dem Bildtelefon,
dem Handy etc, Verbindung halten, ohne gleichzeitig den direkten und persönlichen
Kontakt zu pflegen.
Durch die ebenfalls zur Mitteilung genutzten Massenmedien entsteht ein
kollektives Bewusstsein. Oder ist es doch eher als ein kollektives Meinungsbild
zu bezeichnen?
Die Massenmedien, wie das Fernsehen, übermitteln gleichzeitig ein
und dieselbe Information an Menschenmassen, die dann wiederum in kleinen
Sozialgefügen, wie z.B. der Familie, dem Freundeskreis oder mit Arbeitskollegen,
diese Informationen nach Glaubhaftigkeit, Sinn, Nutzen, Ethik und Moral
prüfen. So werden gruppeneigene Werte und Gemeinschaftsgefühle
herausgebildet und geschärft. Doch fehlt all diesen Kommunikationshilfen
ein entscheidender Faktor. Über ein Telefon oder Handy z.B. hören
wir zwar die Stimme des Gesprächspartners, aber können ihn weder
sehen noch riechen. Keine moderne Kommunikationshilfe bezieht alle Sinne
in den Empfang einer Mitteilung ein.
Genau hier liegt das Problem, denn Kommunikationshilfen können, im
Gegensatz zum direkten, persönlichen Kontakt, Missverständnisse
fördern. Über alle fünf Sinne teilt sich natürlich
mehr mit, als über vier oder nur einen. Der Nachteil der modernen
Kommunikationshilfen liegt darin, dass sie immer mindestens einen Sinn
nicht berücksichtigen können. Die direkte, persönliche
Kommunikation dagegen enthüllt Widersprüche und beugt Täuschungen,
in gewisser Weise auch Selbsttäuschungen, vor.
Hierfür ein kleines Beispiel: ein "Ich liebe dich" in Zusammenhang
mit einem aufrichtigen Blick in die Augen, dem Wahrnehmen des Geruchs,
dem Spüren des anderen und vielleicht einem Kuss, bedeutet wesentlich
mehr als ein Satz am Telefon und verrät viel mehr über den Wahrheitsgehalt
des Gesagten. Ein "Ich liebe dich" mit gleichzeitigem Wegdrehen
oder Senken des Kopfes würde den Mitteilungsempfänger sicherlich
dazu veranlassen, das Gesagte in Frage zu stellen.
Die Kommunikation als Mitteilung von Informationen bezieht sich nicht
nur auf Interessen oder auf Gefühlsbeschreibungen, sondern schließt
immer beides ein. Jede noch so banal erscheinende Kommunikation teilt
mehr über ihre Teilnehmer mit, als man auf den ersten Blick vermutet
und erkennt. Sie beinhaltet Informationen sowohl über die individuelle
Identität der Gesprächsteilnehmer, das heisst sie beantwortet
einfache Fragen, wie "wer bin ich" , "wer bist du",
"was will ich" , "was willst du" etc., als auch über
die kollektive Identität der Gesprächsteilnehmer, das heisst
sie bietet Antworten auf die Fragen "was sind wir zusammen"
oder "was sind wir zusammen mit anderen".
Den modernen Kommunikationshilfen ist es offenbar immer noch nicht gelungen
die direkte, persönliche Kommunikation zwischen Menschen zu ersetzen.
Ein persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht ist in
der heutigen Zeit wertvoller, denn je, geworden. Viele Zeitgenossen bevorzugen
auf Grund von beruflich bedingtem Zeitmangel, dem Schutz vor Störungen,
z.B. durch einen Anrufbeantworter, dem Vermeiden und Abblocken direkter,persönlicher
Aussprachen, Kommunikationsstörungen oder der Einfachheit wegen moderne
Kommunikatiobnshilfen, um Kontakte zu knüpfen, aufrechtzuerhalten,
abzublocken oder zu beenden. Dabei geht jedoch sehr viel an Persönlichem
verloren, denn die Kommunikation ist und bleibt eben eine Sache aller
Sinne! Wie soll man ein Gegenüber auch richtig wahrnehmen und verstehen,
wenn man es nicht hören, sehen, fühlen, riechen und schmecken
kann?
Deshalb sollte auch niemandem, trotz aller Kommunikationshilfen, ein Weg
zu weit sein, den persönlichen Kontakt zu seinen Mitmenschen zu pflegen.
|
|